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Schneller studieren - Die Lösung zur Krisenbewältigung?

Die UNIKO Vorsitzende, Rektorin Sabine Seidler meldet sich in einem Interview zu Wort und tut dies zu einem Zeitpunkt, in dem der Bundesvoranschlag 2020 den Universitäten eine finanzielle Grundabsicherung für die Zukunft zusichert, während gleichzeitig im laufenden Studien-, Forschungs- und Lehrbetrieb pandemisch bedingte Unsicherheit herrscht. Man muss ihr vorweg zu Gute halten, dass sie zumindest an einer Stelle zwischen ihrer persönlichen Position und jener der UNIKO als Ganzes unterscheidet.

Beginnen wir mit dem Universitätsbudget und der Tatsache, dass sich der Bundeskanzler eine neue Universität in Linz gewünscht und deren Schaffung binnen weniger Tage beschließen hat lassen. Obwohl selbst am Standort diese Idee zunächst Kopfschütteln verursacht hatte, wurde kurz darauf Zustimmung signalisiert. Zur Erinnerung: Eben musste eine Phase der Krise mit Universitätsangehörigen in Quarantäne, verunsicherten Studierenden und Lehrenden, unzureichenden Ressourcen, fehlenden Sonderbudgets und unklaren Rahmenbedingungen unter der beschönigenden Bezeichnung „neutrales Semester“ bewältigt werden. Wenige Tage alt ist das neu begonnene Semester mit Fortsetzung der Symptome des vorangegangenen, in dem noch immer nicht die Spielregeln für Homeoffice und Distanzlehre feststehen, geschweige denn klar ist, welche Lehrformate solch plagiativer Vermittlung auf zumutbare Weise weiterhin zugänglich sind. Und ungeachtet der wirklichen Probleme, mit denen die Universitäten zurzeit konfrontiert sind, findet die Regierungsspitze Raum und Zeit für einen Föderalismus populistischer Prägung auf Kosten der Universitäten. Immerhin zeigt sich, dass ausreichend Budget für den universitären Bereich vorhanden ist, allein der vernünftige Einsatz der Mittel fehlt. Es wäre die Aufgabe der UNIKO gewesen, Vernunft einzufordern. Erstaunlich auch, dass man sich mit der Behauptung, dass die Planungs- und Entwicklungskosten für die neue Uni das Gesamtbudget nicht belasten würden, zufrieden gegeben hat. Auch 2009 wurde versprochen, dass die Mehrkosten der Implementierung des Kollektivvertrags separat abgegolten würden, es kam aber nicht dazu. Abgesehen davon ist die Optik ungünstig, dass die UNIKO Vorsitzende der Arbeitsgruppe für die Planungskosten und Entwicklungsmaßnahmen der neu zu schaffenden TU Linz selbst angehören soll - dies bei allem Respekt vor ihrer fachlichen Kompetenz.

Im weiteren Verlauf des Interviews widmet sich Sabine Seidler dem Studienrecht. Sie persönlich wünscht sich mehr Reglement, damit zielgerichtet in möglichst kurzer Zeit studiert wird. Dies soll mittels Verschärfungen im Universitätsgesetz verwirklicht werden, um Langzeitstudierende zu verhindern. Es sei den Steuerzahler*innen nicht zuzumuten, Personen, die mehrere Studienrichtungen belegen wollen und deshalb - oder auch aus anderen Gründen - mehr Zeit als die sogenannte Toleranzdauer in Anspruch nehmen, zu finanzieren. Wir wollen der Rektorin der TU Wien zugestehen, dass sie eine Universität leitet, die historisch betrachtet aus der Tradition von auf Vermittlung von berufsrelevanten Fertigkeiten fokussierten „Fachschulen“ stammt und erst relativ spät (1975) zur Universität erklärt wurde. Doch seit damals hat sich wohl ein Wandel zur tertiären Bildungseinrichtung vollzogen, die in Forschung und in forschungsgeleiteter akademischer Lehre auf die Hervorbringung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gerichtet ist. Dies mit dem Ziel, zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen. Es sei der TU Wien unbenommen, gemeinsam mit ihrer Rektorin ihre Ausrichtung in größtmöglicher Autonomie und Selbstverwaltung zu definieren. All das lässt sich wörtlich im Gesetz (UG 2002) nachlesen. Mit demselben Recht steht dies selbstverständlich den übrigen Universitäten zu, und an den meisten wird man sich in den Ideen von Rektorin Seidler nicht wiederfinden. In Zeiten verordneter Ökonomisierung ist es schwierig genug, trotz Studienplatzfinanzierung und Lehrgewichtung die verbliebenen Bereiche frei zu schälen, in denen Forschung, Entwicklung bzw. Erschließung der Künste und Interdisziplinarität überhaupt noch ausreichend stattfinden dürfen. Unser Land wird sich niemals für die Herausforderungen der Zukunft rüsten, wenn die rudimentär verbliebenen Möglichkeiten sukzessive versperrt werden, indem zu den Verschulungstendenzen im Universitätsbetrieb nun auch Untergrenzen der Arbeitszeit für Studierende eingerichtet würden. Nun droht tatsächlich eine semesterweise Mindestanzahl von ECTS-Punkten im Gesetz, um das womöglich für alle Unis und alle Studienrichtungen zu fixieren. Ganz zu schweigen davon, dass die Realität berufstätiger Studierender und solcher, die während des Studiums eine Familie gründen, verdrängt würde. Im Übrigen kann es nicht im Interesse der Steuerzahler*innen liegen, dass Akademiker*innen im Eilverfahren schlecht ausgebildet in jungen Jahren so früh wie möglich auf den Arbeitsmarkt kommen, statt als umfassend ausgebildete Absolvent*innen auf höchstem Niveau ihre Jobs anzutreten.

Sabine Seidler bewertet die Situation zu Beginn des wiederum eingeschränkten Semesters als erstaunlich gut und ohne gröbere Probleme. Das stimmt sicherlich nicht. Wir haben gerade ein um drei Monate verlängertes Semester mit Schwierigkeiten zu Ende gebracht. Eine solche Verlängerung kann sich rechnerisch im Wintersemester nicht ausgehen. Viele curriculare Richtlinien und Satzungsänderungen mit vielfältigen Ausnahmeregelungen zu Lehr- und Prüfungsmethoden bleiben aus gutem Grund vorläufig in Kraft, sie können aber dort niemals greifen, wo digitale Lehre schlichtweg unmöglich ist, etwa beim künstlerischen Unterricht oder Labortätigkeiten. Das Sommersemester wurde mit letzten Kräften gestemmt, im Wintersemester wird bald die Luft ausgehen. Das gilt für Studierende, die ihr Lehrangebot nicht zu 100% erhalten und gleichzeitig innerhalb der Toleranzdauer absolvieren sollen, es gilt für das Lehrpersonal, für das sich aufwendige und unbezahlte Mehrleistungen für letztlich doch unbefriedigende Ergebnisse nicht lohnt und das gilt für das allgemeine Personal, das unter hohem Verantwortungs- und Leistungsdruck für Sicherheit sorgen muss. Es wird Zeit und Geld kosten, bis die Defizite aus der Phase der Versäumnisse ausgeglichen sein werden und wir wissen heute noch gar nicht, wie lange die Phase der Versäumnisse noch dauern wird. Möglicherweise wird sich erst später herausstellen, dass das Budgetziel für die nächste Periode ab 2022 wohl zu kurz greift. Zu sagen, dass die finanziellen Mittel für die Leistungsvereinbarungsperiode 2022–2024 gesichert wären, ist mehr als gewagt. Alles, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass Linz eine technische Universität bekommt.

Stefan Schön
Pressesprecher des ULV
des Verbands des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten


ulv/aktuelles/schneller_studieren_2020_11_04.txt · Zuletzt geändert: 22.04.2024 12:10 von 127.0.0.1